Station des Rundgangs "Auf Lessings Spuren" Johann Heinrich Reß 1732 – 1803 Superintendent
Für philanthropische Auffassungen durchaus empfänglich,wird Reß dort zugleich Inspektor des Schullehrerseminars. Weil die Schüler nicht nur Lebensweisheit und theoretische Kenntnisse, sondern auch Wirklichkeitssinn und praxisnahe Fertigkeiten erwerben sollen, gilt sein besonderes Bemühen der praktischen Ausbildung der Landschullehrer. Für die Schulen verlangt er gesunde Räume und freie Höfe; in seinen zahlreichen Veröffentlichungen widmet er sich nicht nur theologischen Fragen, sondern auch solchen der Landwirtschaft sowie regionalgeschichtlichen Themen.
Überregionale Bekanntheit erlangt er freilich durch seine Beteiligung am Fragmentenstreit. 1777 hatte Reß anonym die Gespräche "Die Auferstehungsgeschichte Jesu Christi" im Braunschweiger Verlag der Fürstlichen Waisenhausbuchhandlung veröffentlicht: gut gemeinte, argumentativ aber recht schlichte Dialoge, auf die Lessing, schwer durch den Tod von Frau und Kind getroffen, und wohl wissend, wer der Verfasser ist (»lieber Nachbar«), in ungewöhnlich scharfer Form reagiert - in der berühmten Duplik sowie im ersten und elften Anti-Goeze.
Dass Reß dann auch von der Kanzel gegen Lessing predigt, ist sicher mehr als Gerücht. Die Auseinandersetzung geht um wirkliche oder vermeintliche Widersprüche zwischen den einzelnen Evangelien; dabei versucht Reß' Schrift von 1777 vor allem die Einwände gegen die biblische Darstellung der Auferstehung Jesu zu entkräften. 1779 veröffentlicht Reß, nun unter Nennung seines Namens, "Die Auferstehungsgeschichte Jesu Christi ohne Widersprüche. Gegen eine Duplik." (Braunschweig: Verlag der Fürstlichen Waisenhausbuchhandlung), auf die Lessing nicht mehr antwortet. Der 1793 zum Pastor primarius aufgerückte Johann Heinrich Reß, Vater eines Sohnes und zweier Töchter, stirbt, »allgemein geachtet«, am 11. Januar 1803 in Wolfenbüttel.