Station des Rundgangs "Auf Lessings Spuren" Johann Heinrich Reß 1732 – 1803 Superintendent
Was Franz Anton Knittel zunächst mit Lessing verbindet, ist die besondere Liebe zur Herzoglichen Bibliothek. Nicht zuletzt, um in der Bibliothek arbeiten zu können, hatte Knittel die ehrenvolle Berufung auf eine theologische Professur an der Universität Helmstedt ausgeschlagen. Lessing respektiert die hohe Gelehrsamkeit des Theologen wie auch Knittel seine Verehrung für den »hochgelehrten« Bibliothekar bekundet. Ein Konflikt des als herzoglicher Zensor tätigen Knittel mit Lessing anläßlich der Veröffentlichung des Berengarius Turonensis lässt sich freundschaftlich beilegen, zumal Lessing danach durch herzogliches Privileg von der Zensur befreit wird.
Überliefert ist ein angeregter Verkehr zwischen beiden Gelehrten und Literaten, sei's auf gemeinsamen Spaziergängen, sei's im Pfarrhaus neben der Hauptkirche. Wie sich die Herausgabe der bibelkritischen Fragmente auf das beiderseitige Verhältnis auswirkt, ist schwer zu beurteilen. Obwohl Knittel wahrscheinlich nicht viel anders denkt als Goeze, hat er sich im Unterschied zu seinem Kollegen Johann Heinrich Reß nicht öffentlich an dem Streit beteiligt; nach einem posthumen Zeugnis des Theologen Friedrich Münter schien die menschliche Beziehung zwischen Knittel und Lessing durch den Streit nicht beeinträchtigt.
Knittels wissenschaftliche Interessen sind weit gespannt; er publiziert nicht nur auf theologischem Gebiet, sondern arbeitet auf den Feldern der Altphilologie, der Geschichte, der Germanistik und widmet sich mit besonderem Eifer speziellen mathematischen Interessen. Gewissen Ruhm – als »Ulfilas-Knittel« – erlangt der Pastor durch die Entdeckung eines Fragmentes der gotischen Bibelübersetzung des Ulfilas in der Bibliothek (1758); das von einer Handschrift des Isidor aus dem sechsten Jahrhundert überdeckte Palimpsest wird von dem des Gotischen Unkundigen mühselig entziffert. Bei Gelegenheit betätigt sich der sprachlich versierte Knittel auch als geistreicher Hobby-Poet.
Knittel stirbt am 13. Dezember 1792 an ›Brustwassersucht‹. Seine Frau überlebt ihn um ein Jahr. Franz Anton Knittel, als Theologe, Prediger, Seelsorger und Schulmann ein hingebungsvoller und tüchtiger Diener seiner Kirche, ist dem herzoglichen Haus, besonders der Herzogin Philippine Charlotte, in Verehrung und Zuneigung verbunden. Über seine insgesamt konservative Haltung ist der ›fortschrittliche‹ Geist der Zeit zuletzt hinweg gegangen, so dass der gesellige und humorvolle Mann wohl, wenngleich hoch geehrt, etwas vereinsamt und resigniert gestorben ist.
